Dienstag, 24. Januar 2012

Pippa, der Henning und das runde Leder

Seit Monaten türmt sich die „Frau im Trend“ in meiner Bude. Quasi ungelesen, ich kam ja zu nix! Damit ist nun Schluss, in Zukunft werden Dinge von solcher Wichtigkeit nicht mehr wegen der Arbeit verschoben.

Die Aufarbeitung des Geschehenen beginne ich mit der Ausgabe vom 4. November und einer ganz bezaubernden Geschichte, in der sogar ich eine Rolle spiele – wenn man so will. Die Überschrift verrät es: die andere Hauptrolle spielt Pippa. Wie Frauen um die 35 in Deutschland nun mal heißen. Pippa klingt natürlich irgendwie keck, muss man sagen, da ist man schon leicht hippelig. Das sähe anders aus, würde die Rubrik meinetwegen von Hiltrud eröffnet. Ich glaube nicht, dass mich irgendetwas von dem interessiert, was eine Hiltrud tut. Es sei denn, ich wäre aus intensivmedizinischen Gründen davon abhängig. Aber Pippa! In diesem Namen steckt doch ein Versprechen! Da ahnt man doch, dass die sich abends keine Passiancen legt, nich wahr, sondern eher das Leben bei den Hörnchen packt. Und siehe da, Pippa beginnt ihre Geschichte mit einem Satz, der wirklich neugierig macht: 

Verrückt, es noch mal zu wagen, nach allem, was letztes Jahr beim Fußballturnier passiert ist...
Pippa ist ein Groundhopper! Vermutlich sogar Vorsitzende des „Blau-Weiß aufs Maul“ e.V., hängt immer am Zaun, Bengalos, Eisenstangen, das volle Programm. Und nun, nach einem Jahr Stadionverbot ist sie wieder dabei und natürlich total aufgeregt. Pippa, du Teufel! Wage es!


Jedes Jahr Anfang November gibt es in unserer Heimatstadt ein legendäres Fußballspiel: Oberdorf gegen Unterdorf.
Aua. „Oberdorf gegen Unterdorf“. Sicher. Geht’s denn bitte noch fantasieloser? Und isses nun ein Fußballturnier oder ein legendäres Fußballspiel? PIPPA! Konzentrier Dich! Borr, ich könnt mich...aber ich soll nicht. Okay, es spielen also Oberschicht gegen Unterschicht, Eloi gegen Morlocks, Hobbits gegen Orks, mir auch egal, is ja eh gelogen.

Nach dem Match treffen sich alle zu Lagerfeuer und Musik; Nachbar, Ex-Dörfler, ehemalige Mitschüler.
Hach wie romantisch! An der Grenze zu Oberdorf und Unterdorf ist die Welt noch in Ordnung. Da sitzt man abends gemeinsam am Feuer, jemand zupft die Laute, die Frauen singen, die Männer brummen. In jedem anderen Kacknest schlagen sich degenerierten Hinterwälder nach dem Kick gepflegt die Rüben zu Brei, pissen das Lagerfeuer aus und vögeln alles, was einen Puls hat. Oder auch schon nicht mehr.


Die meisten waren verheiratet.
Sicher, teilweise sogar Geschwister. Nur die arme Pippa hat bislang noch keinen abgekriegt? Spricht aber nicht grad für sie, da bin ich ehrlich. 35 Jahre, bestes Alter, jeder im Ort hat schon einen Partner, an dem er sich zu Tode langweilen kann, nur Pippa ist Single. Da stimmt doch was nicht. Meine Vermutung: Pippa ist hässlich. Und zwar so hässlich, dass noch nicht mal der schielende Sohn des Bürgermeisters an ihr den Hof machte.


Ich suchte keinen Mann zum Heiraten... 
Hört, hört!


...ich suchte einen für ein Abenteuer! Einen wie Henning.
Ha! Ich! Ja, na klar! Einen wie Henning! Logisch! Wie gemacht für das Abenteuer isser! Pippa, du bist nicht sonderlich schön, aber so ein Abenteuer kostet nun mal immer auch ein wenig Überwindung. Also los, sprich mich an! Wir können über alles reden. Hauptsache, du hältst die Klappe.


Meine Jugendliebe. Durchbrennen wollten wir.
Wa? Jugendliebe...Pippa? Ich würd' mich doch erinnern! ...also...PIPPA? Ich glaube nicht. In der DDR hieß doch niemand Pippa. Stand sicher sogar unter Strafe, 4 Jahre Bautzen oder so. Mir schwant, sie meint doch einen anderen Henning...


Henning ist nach Afrika und ich in die Industrie gegangen.
Okay, ich bin raus. Es ist ein anderer Henning. Ich war noch nie in Afrika. Ich war ja noch nicht mal in der Industrie, wo immer die auch liegt. Aber erzähl ruhig weiter, Pippa.


Letzte Jahr dann, fünfzehn Jahre nach unserem letzten Kuss, stand er nach dem Fußballspiel vor mir. Groß, sehnig, Sommersprossen.
Groß. Sehnig. Sommersprossen. Ich glaub, wenn man 10 Frauen einen Mann so ankündigt, schreien 12 „Verpiss dich!“. Nun, Pippa scheint er zu gefallen. Und das beruht wohl auf Gegenseitigkeit, denn:

Pippa!“ hatte er gerufen. Ich war ihm in die Arme geflogen. Und dann...hatte er mich seiner dünnen Verlobten vorgestellt.
Wir lesen es zwischen den Zeilen: Pippa ist fett. Mindestens. Da stimmt sicher einiges nicht. „...und da stand sie vor mir: Klein, klumpig, Stachelwarzen.“ Na, da haben wir es ja mit einem echten Traumpaar zu tun.


Ich sah ihn spielen, kraftvoll, männlich. Wer gewann? Unerheblich. 
Für dich vielleicht, du dicke, dumme Nudel! Es ist NIEMALS egal wer gewann! Da steht's Spitz auf Knopf zwischen Oberdorf und Unterdorf, vermutlich läuft gleich das Elfmeterschießen, nur die blöde Pippa hat's wieder nicht gerafft, weil sie an nichts anderes denken kann, als dass der sehnige Henning ihr heute noch einen Freistoß in den Winkel zimmert!


Nach dem Spiel kam er zu mir. In seinen Augen spiegelte sich der Winterhimmel, hoch, kristallklar.
Okay, Henning war wirklich groß. Seeeehr groß. Oder er hatte was im Nacken, dass er ständig gen Himmel starrte, der sich dann spiegelte. Der Winterhimmel. Vorhin war noch November. Wie lang ging denn dieses Spiel?

Wo war seine blonde Salzstange?
Pippa, das ist jetzt total unsouverän. Du bist echt zickig. Naja, passt zu Deinem Äußeren. Mittlerweile würden wir alle viel lieber erfahren, was die Salzstange und Henning so treiben, anstatt uns dein Gestichel und Gejammer anzuhören. Ziege!

Am liebsten wollte ich ihn küssen, berühren, überall – stattdessen fragte ich: „Fährst du gleich nach Hause?“ – „Nein. Nur mit dir.“
Nein. Nur mit dir.“ Also was denn nun? Ja oder nein? War doch ne klare Frage, kann man doch auch mal klar drauf antworten oder was. Das ist kein echter Henning. Für einen echten Henning gibt es auf eine solche Frage nur zwei mögliche Antworten:
1. „Ja. Und du kommst mit zu mir, du steiler Zahn!“
2. „Nein, ich stell mir mit den Jungs jetzt ordentlich einen rein. Bis nächstes Jahr, Pippa!“
Okay, eigentlich gibt’s nur eine.


Seine Antwort vibrierte in mir.
Einmal 30cm Antwort, bitte. Hättest du wohl gern!


Was sollte sie bedeuten? Ich bin Single – zumindest heute?
Tu doch nicht so scheinheilig, Pippa! Als ob dir das nicht egal wäre! Dir käme es doch nur gelegen, der Salzstange eins auszuwischen. Und du suchst ja eh niemanden zum heiraten, du willst doch nur das eine: ein Spiel Untenrum gegen Untenrum. LUDER!

Ich sah, wie sich die Spieler auf den Weg zu ihren Wagen machten. Wenig später gehörte der Sportplatz uns. Und die Duschen. Und der Tag...
Wiewaswo? Wo sind alle hin? Ich denk, nach dem großen Spiel werden traditionell Touristen verbrannt und schweinische Lieder gesungen? Passiert sicher auf dem zentralen Dorfplatz. Der Bürgermeister hält eine Rede, sein dumpfer Sohn sticht die Sau ab und der behinderte Neffe des Autohändlers eröffnet seitwärts rollend die Tanzfläche. Aber das alles geschieht erstmal ohne Pippa und Henning.

Komm“, raunte ich. Als ich fünf Minuten später unter der Dusche stand, zitterten mir die Knie, Dann spürte ich ihn hinter mir. Sanft berührte mich eine Hand im Nacken. Ich lehnte mich an ihn. Jetzt berührten seine Lippen meinen Hals, die Hände schoben sich zu meinen Brüsten. Ich wandte mich um und umschlang ihn. Ich war nicht mehr das schüchterne Teenager, ich war eine Frau.
Richtig. Und zwar eine verbitterte, zickige, verzweifelte Frau, die sich irgendwo zwischen Ober- und Unterdorf in der Männerdusche eines Vereinsheims von einem sehnigen Kerl mit Salzstange vögeln lässt. Was ist nur geschehen, Pippa, wie tief bist du gesunken? Wo ist das süße Mädchen von damals, in das Henning sich verkuckt hat? Hat die Industrie dich so verwohnt? Tragisch.

Hart drängte er sich an mich. Er erkundete mich mit seinem Mund,...
Ob er Afrika auch mit seinem Mund erkundet hat? Ich schweife ab...


...dann packte er mein Bein und hob es an. Schon spürte ich ihn an meinem Schoß und wölbte mich ihm entgegen.
Also wenn ich mir vorstelle, wie sich die dicke Pippa mit gehobenem Bein irgendwem entgegenwölbt...dieses Bild! Aus meinem Kopf!!!

Ganz langsam schob er sich in mich. Aufrecht stehend, in der Männerdusche des Sportheims, liebten wir uns.
STOPP! In der Männerdusche eines Sportheims, und jeder Fußballer wird mir da zustimmen, kann man sich sicher einiges vorstellen: blutige Schlägereien, rituelle Schlachtungen und weinende Kämmerjäger. Aber ganz sicher liebt man sich dort nicht. Niemals! Diese Duschen sind bestenfalls schlicht, meistens aber das Tor zur Hölle. Es stinkt nach Chlor, Kernseife und billigem Sport-Deo. Die Duschen haben eine Zeitschaltuhr, so dass nur in 20sekündigen Intervallen lauwarmes Wasser aus ihnen pieselt – und zwar mit dem gleichen Druck, mit dem ein 80jähriger nachts Wasser abschlägt. Überall liegen vergessene Plastikflaschen und verschwitze Unterhosen, 4 der 8 Duschen sind ohnehin kaputt und ein Abfluss ist immer verstopft. Ich behaupte: in der Männerdusche eines Sportheims hat noch nie ein erigierter Penis gewippt. Vielleicht hat Pippa zu viele Gefängnisfilme gesehen und da etwas falsch verstanden. Dia machen das da nicht gern, Pippa. WACH AUF!


Schneller als je zuvor kam die Woge und mit ihr das Stöhnen meines Höhepunktes. Henning in mir. Und bei mir. Das Leben machte mir sein Angebot.
Und was für eins: Tripper, Fußpilz und ungewollte Schwangerschaft auf einen Schlag. Wenn das nix is. Oh, Pippa, arme Pippa. So ist das, wenn man sein Herz an einen Henning hängt.

 
Pippa und der falsche Henning tun es. Doch wo sind die Sommersprossen? Und besonders sehnig sieht er auch nicht aus. Moment! Pippa meinte doch nicht etwa den kleinen Henning!? Igitt!!





3 Kommentare:

  1. Den letzten Satz lasse ich mir auf meine Visitenkarten drucken.

    Damit hast du dich selbst übertroffen, selten so gelacht. Danke.

    AntwortenLöschen
  2. Bittegern! Und schön fleißig Visitenkarten verteilen dann, die Welt will gewarnt sein.

    AntwortenLöschen
  3. Härrlisch!!!!! Wien und Düsseldorf haben Tränen gelacht

    AntwortenLöschen