Montag, 12. September 2011

Marie, Bernd und der Strudel


Letzte Woche geriet ich kurzzeitig in Panik, da die aktuelle Ausgabe der Frau im Trend weder in den umliegenden Kiosken noch Supermärkten erhältlich war. Wo ich es auch versuchte, ich blieb erfolglos und weinte leise in mich hinein. Sie ist aber auch schwer zu finden zwischen diesen ganzen Blättern! Frau im Spiegel, Frau im Leben, Frau im Weltall, Frau mit Herz, Frau mit Hund, Frau von heute, Frau von gestern, Die neue Frau, Frau anundfürsich – da kann man schon mal den Überblick verlieren. Schließlich fand ich sie dann aber doch. Und schon der Titel begeisterte mich, lernte ich doch bereits vor dem Aufschlagen, dass Frauen nicht nur im Trend, Leben und Spiegel sind. Frau im Strudel – das klingt nach 1A Rezepten aus allererster Hand, direkt von der Backront quasi. Doch nein, es geht in diesem Fall nicht ums Backen sondern wohl eher ums Nicht-gebacken-kriegen.


Ja Mensch, das is allerdings schlecht. Wie konnte es denn so weit kommen? Marie, so der Name der Bedauernswerten, beginnt ihre Geschichte:



Früher erlebte ich die Sonntagabende als etwas ganz Besonderes: Bernd und ich tranken Prosecco, schauten Tatort und nie bekamen wir mit, wer Schuldig oder Unschuldig war. Weil wir da längst von unserer Leidenschaft überwältigt wurden und unser Wohnzimmer einer Liebesoase glich.“



Mooooooment! Also hier stimmt ja gleich einiges nicht. Zunächst mal: Tatort-Abende sind von Natur aus nichts Besonderes, das widerspricht ihrer Natur. Weiterhin weiß man beim Tatort nach ca. 2 Minuten, wer Schuldig und Unschuldig ist. Marie und Bernd müssten also schon jeweils während des Vorspanns übereinander hergefallen sein. UND:man kann sich allerlei Situationen vorstellen, in denen Menschen Sex haben, z.B. bei Ommas 70ten, beim Gewerbeamt, auf Beerdigungen, aber sicher nicht zum Tatort. Der Tatort ist definitiv kein Nimmmichjetztundhier-Format. Es ist davon auszugehen, dass in der gefühlt 500jährigen Geschichte des Tatort Menschen während der Ausstrahlung gestorben sind, sei aus nun aus Langeweile, vor Lachen oder aus Wut. Dass dabei jedoch jemals fröhlich der Zeugungsakt vollzogen wurde halte ich für ausgeschlossen. Ich selbst habe auch mal einen Tatort gesehen und dachte noch lange danach, ich könne nie wieder Freude empfinden. Nun, bei unseren beiden emotionalen Reihenhäuslern war es angeblich total anders. Nun zeigte sich aber schnell, dass sonntäglicher Tatort-Sex keine Basis für eine Beziehung ist.



Doch irgendwann hatte das mit den Sonntagen aufgehört. Zu viel war passiert.“

Im Tatort? Kann ja nicht sein. Wo also war viel passiert?



Wir mussten nach Berlin umziehen,...“

Aha. Und da gibt’s kein ARD?



...weil Bernd als Hotelempfangschef ein tolles Angebot bekommen hat. Ich nicht.“

Ist da jemand beleidigt? Dabei war nun wirklich nicht damit zu rechnen, dass Marie jemals ein Angebot als Hotelempfangschef bekommen würde, denn sie war ja Notarfachangestellte. Dummerweise nun arbeitslos und allein daheim, weil Bernd groß Karriere machte. Für sie blieb nur die „provisorisch eingerichtete Wohnung. Überall Leere. Überall Einsamkeit.“ Tragisch. Fahr halt zu IKEA und stell was rein, herrijee!



Bernd ist also kaum noch daheim, ist laut Marie "ehrgeizig und ichbezogen". Weil ihr daheim die Decke auf den Kopf fällt, jobbt sie als Packerin in einem Kaufhaus, wo sie Michael, den Speditionsfahrer in der Cafeteria kennenlernt.

Michael lächelte mich jedes Mal an, teilte seine leckeren Nusshörnchen mit mir...“ Ich liebe die subtile Schlüpfrigkeit dieser Zeitschrift. Da wird nicht etwa nüchtern Kaffee getrunken und ein trockenes Stück Mohnkuchen geteilt, nein, da sind es Plundertasche und Nusshörnchen, herrlich! Kein Wunder also, dass es bei so viel krümeliger Erotik schon bald zum Äußersten kommen musste, natürlich im Lagerkeller. Marie und Michael tun es. Und zwar wie die Äffchen. „Die folgenden Wochen waren wie ein einziger Rausch...Sex auf dem Packtisch, im Auto oder im Hotelzimmer. Jeden Donnerstag!“ Wahrscheinlich auch noch in Bernd's Hotel, was!?! Du Schlampe!



Doch nein, die Packerin zeigt Gefühle: „Manchmal, wenn ich mit meinem Mann ganz still auf dem kleinen Balkon saß, die Wolldecke über den Knien, dann empfand ich so viel Scham.“ Würd' ich aber auch, wenn ich mir mit Mitte 30 mit Bernd auf dem Balkon still eine Wolldecke teilen würde. Und dabei wahrscheinlich auch noch auf ne 4spurige Stadtautobahn starre. Marie schämte sich aber noch aus anderem Grund: sie hatte ihrem Bernd vor 7 Jahren auf der Hochzeit Treue geschworen. Was tat sie ihm jetzt nur an, wie konnte sie nur Michael, den Speditionsfahrer jede Woche in ihrem Wareneingang parken und sich ordentlich was liefern lassen?! Das setzt ihr sehr zu, das bleibt auch dem sensiblen Bernd nicht verborgen, denn eines Tages fragt er sie: „Marie, bist du glücklich? Bin ich etwas Besonderes in deinem Leben? Oder bin ich nur ein Teil, das man im schlimmsten Fall auswechseln kann?“ Wer nun glaubt, dass die Frage schon irgendwie seltsam klingt, der soll erstmal Maries Antwort lesen: „WAS SOLL DIESE FORMULIERUNG! WILLST DU DICH SCHEIDEN LASSEN?!“ Oha, hier liegen die Nerven blank. Schneller von 0 auf 100 als Michis Truck, die Gute. Bernd aber bleibt ganz cool, ignoriert die Frage nach der Scheidung und erzählt Marie, dass er von der Hotelleitung ein Angebot für die französische Schweiz bekommen hätte. Er hat Bedenken: "Wieder wärst du allein...ohne Freunde...nur ich wäre da."



Marie schweigt, überlegt und sagt dann leise: „Wir haben wohl vergessen, was uns verbindet. Du fährst bitte sofort in den Promarkt, kaufst einen Fernseher und eine DVBT-Antenne. Ich hol 3 Flaschen Prosecco aus dem Lidl, mach mich unten rum frisch – und dann schauen wir Tatort und lieben uns wie Erdmännchen!“



Das wäre eine von vielen richtigen Antworten gewesen. Gesagt hat sie jedoch: Wir haben wohl vergessen, was uns verbindet: Liebkosungen, gemeinsames Lachen, die vielen Gesten...“ blablupp-blablupp und schließlich: Ich komme mit, ich will bei dir sein!“ So. Sie will also mit Bernd in die fränkische Schweiz. Eine Frau, die sich in der deutschen Hauptstadt Berlin, DEM place-to-be, DER europäischen Metropole, brodelnd, voller Möglichkeiten, Reize und Inspiration langweilt, die sich lieber mit ihrer Wolldecke in ihre Wohnung ohne Kabelanschluss setzt und einmal die Woche von nem Brummifahrer die Bifi zeigen lässt, anstatt mal den verkniffenen Arsch hochzukriegen und sich ins fraglos vorhandene Großstadtleben zu stürzen, diese Frau soll also in der französischen Schweiz glücklich werden. Mit Bernd. Ja sicher.



Doch Marie hat eine Idee: „Und wenn es mit dem Job nicht klappt, dann erfülle ich mir einen Lebenstraum und zeichne das Kinderbuch über einen Hasen, der nach vielen Irrwegen endlich wieder nach Hause findet.“ WTF?! DAS ist ihr Lebenstraum? Mit Bernd und der Wolldecke in die fränkischen Schweiz zu ziehen, sich dort arbeitslos zu melden und ein Hasenbuch zu malen? Klingt, als hätte da jemand mit seinem Leben abgeschlossen.



Und weißt du schon, wem du deine Geschichte vorlesen willst?“, fragt Bernd listig. Und natürlich sagt Marie: „Vielleicht bin ich damit fertig, wenn unser erstes Kind geboren wird.“ Da platzt Bernd plötzlich der Kragen! Er springt auf und schreit: „Waaaaaas? So lange willst du an diesem albernen Scheißbuch malen?! Borrr, das war soooo klar! Immer schön alles auf die lange Bank schieben,was! Das ist so typisch, Marie!! Ich racker mir an der Lobby den Arsch ab und du kriegst nicht mal die verdammte Kartons ausgepackt! Seit 3 Monaten essen wir von Papptellern, die Betten sind nicht bezogen und meine Unterhose pieken, weil du es nicht einmal schaffst, den verdammt Knopf an der verdammten Maschine zu drücken! Stattdessen suhlst du dich hier mit deinen fettigen Haaren in Selbstmitleid, lässt dich gehen, siehst total verwohnt aus! Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen! Ich sag dir was: Ich ziehe in die fränkische Schweiz und vögel da alles, was nich bei 3 aufm Berg ist. Und du kannst hier weiter vor dich hin siffen und Tatort-Kassetten hören. So! Und ach übrigens: diese verschissene Wolldecke konnte ich noch nie leiden! TÜSS!“



Hach...das wäre ein schönes Ende gewesen. Leider ist die von einer romantischen Redakteurin erdachte Realität ebenso nüchtern wie verlogen. Angeblich hat Marie den Michi ganz schnell vergessen, ist mit Bernd umgezogen, lebte sich schnell ein und bekam, richtig, ein Kind. Gäääääähn.



Doch eines Tages, als Marie grad wieder verträumt mit heraushängender Zunge und Wachsmalstift im Hasenbuch schmierte, klingelte es an der Tür – und davor stand Michi, der jetzt UPS-Fahrer war. Von da an brachte ihr wieder wöchentlich sein Nusshörnchen. ENDE.

(Notiz an mich: Story an die Tatort-Produzenten schicken)


2 Kommentare:

  1. Hi
    ich bin noch nicht ganz durch mit dem Roman aber was meinst du mit unten rum frisch machen ???
    Danke,
    Francesco

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  2. Körperhygiene. Kennst Du nich, ich weiß.

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