Mittwoch, 2. November 2011

Die Jungs, ich und Hohenwulsch

Nun ist es tatsächlich geschehen: ich war in Hohenwulsch. Schon seit früher Kindheit geistert der Name dieses Örtchens durch mein Leben. Alles begann vor zigtausend Jahren mit einem Sketch des Ost-Komiker-Duos Herricht&Preil. Wie jeder anständige Ossi hab ich die schon als Kind rauf und runter gehört. In ihrem Sketch "Reisebekanntschaften" wählt Herricht aus einem Kursbuch spontan ein Reiseziel aus:

Preil: Na nun suchen Sie mal ein schönes Reiseziel raus!

Herricht: Ja wo, wo, wo?

Preil: Ja wo, wo, wo? Na irgendwo!

Herricht: Au, hier ist was Hübsches, Herr Preil, hörnsemal: Hohenwulsch.

Preil: Bitte was ist los?

Herricht: Hohenwulsch! Das ist überhaupt 'ne Idee: Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Hohenwulsch, ich fahre mal nach Hohenwulsch!

Letztlich fährt Herricht dann doch nicht – aber ich wollte es tun! Wie gut, dass ich mindestens 2 Personen kenne, die auch sofort wollten: meine alten Freunde Jannemann & Schmollhuber. Seit ein paar Jährchen pflegen wir nämlich die schöne Tradition, uns einmal im Jahr an einem neutralen Ort mitten in der deutschen Pampa zu treffen. Weil: in der großen Stadt was losmachen, das kann ja jeder. So entdeckten wir schon das Steinhuder Meer (Elektrobötchen!) und Wittenberge (Feuerwerk!). Entzückend.

In Hohenwulsch selbst leben ca. 350 Menschen – und, Überraschung, keiner davon betreibt eine Pension. Also wählten wir für unsere Übernachtung einen Ort ganz in der Nähe: Stendal. Nun, wenn man Stendal nicht kennt, so wie ich bis letzten Freitag, dann erwartet man nicht viel, und wenn, dann wenig Gutes. Als ich mich schon 4 Tage vor der Reise auf die Internetsuche nach einer Unterkunft machte, stellte ich jedoch fest, dass Stendal eine Hansestadt ist - und Hansestädte sind nie so ganz verkehrt, das weiß man. Ich war gespannt. Schnell fand ich eine nette Ferienwohnung und buchte. Feddich.

Am Abend vor der Reise dachte ich mir dann, ich ruf doch noch mal bei den Vermietern der Ferienwohnung an und bestätige ihre Buchungsbestätigung. Das Telefongespräch verlief ungefähr so:

Ich: Hallo! Hier ist der Herr Henning! Ich wollte mich nur für ihre E-Mail bedanken und sagen, dass wir dann morgen Nachmittag kommen.

Frau Netzband: Morgen? Wieso?

Ich: ..Ähm...ja...ja also, na weil: ich hab doch gebucht!

Frau Netzband: Für morgen? Das glaub ich nicht.

Ich: Dochdoch! Und sie haben mir geantwortet, dass das klar geht.

Frau Netzband: Ich? Moment, ich schau mal nach...*raschelraschel*

Ich, denkend: WTF???????

Frau Netzband: Hörensie?! Sie haben für den 28.11. gebucht. Das geht klar.

Ich: Wat? November? Warum denn?

Frau Netzband: Ja, ich weiß es nicht.

Ich: Moment, ich schau mal nach...*klapperklapper*

Frau Netzband, denkt: Holzkopf!

Ich: Achduschreck! Ja! Ich hab bei ihnen den November angefragt. Warum?!

Frau Netzband: Wenn sie es nicht wissen, Herr Henning...

Ich: Hm. Dann kommen wir morgen nicht.

Frau Netzband: Auch nicht im November?

Ich: Nein. Und wenn, dann ruf ich an.

Frau Netzband: Okay, vielen Dank.

Ich: Bitte. Danke. Tschüss!

Es hieß also kurzfristig umzudisponieren. Also fix Google aufgerufen und zack! "Pension am Mönchskirchhof" gefunden. "Mönchskirchof". Na wenn das nicht auf unsere Reisegruppe passte! Angerufen, mit Herrn Müller geschnackt, gebucht, feddich. Und es sollte sich mal wieder heraustellen, dass alles einen tieferen Sinn hat.

Gegen Abend erreicht ich nach viereinhalbstündiger Zugreise Stendal. Die Jungs begrüßten mich am Bahnhof wie es sich ziemt: mit einem Fläschchen Pils. Hach! Das muss Liebe sein. Ich bezog nun auch die Pension, und wir machten uns auf, die Stadt zu entdecken. Was man selbst bei Dunkelheit sah: das war alles ganz schön nett! Man ahnt es ja nicht. Schöne Straßen, Fachwerkhäuschen, Feldsteinkirchen, gelber Backsteinweg - toll! Zum Abendmahl wählten wir ein italienisches Restaurant mit Sky-Empfang, tranken und aßen und tranken und aßen, beides reichlich, bis ca 1:30 Uhr. Die Rechnung brachte die nächste Überraschung: jeder von uns war knapp mit nem Zwanni dabei. Willkommen in Schnäppchen-Town!

Aufm Heimweg ging's dann noch in einen Pub, wo ich nach 18 Bier auch noch Whiskey trinken musste. Zum Glück war es irgendwann 4 Uhr und wir ziemlich im Sack. Die beste Vorbereitung auf unser großes Abenteuer: der Ausflug nach Hohenwulsch.

Der Samstag begann leicht zerknittert. Aber Frühstück war nun mal für 10 Uhr gebucht. Im Frühstücksraum begrüßte uns der Herr Müller. Ein sehr netter Mann im Rentenalter. Früher war er Bohringenieur, kam aus der Ecke, kannte Hinz und Kuntz und überhaupt alles! Zudem war er mindestens genauso gesprächig wie nett: Kaum hatten wir uns um den Tisch getrollt, holte er zu einem Monolog aus, den ich so in der Form noch selten erlebt habe. Sogar Jannemann, eigentlich unschlagbar, was verbalen Output angeht, blickte paralisiert auf sein Brötchen. Ich kenne ihn schon über 20 Jahre, aber so lange am Stück hab ich ihn noch nie nichts sagen hören.

Unser Frühstücksraum. Links Schmollhuber, rechts Jannemann,
ich hinten in der Ecke. Wenn ich nicht grad fotografierte.

Man muss Herrn Müller allerdings zu Gute halten, dass er echt etwas zu erzählen hatte. Da fiel es kaum auf, dass wir eine halbe Stunde lang weder Kaffee, noch Tee bekamen – Herrn Müller sowieso nicht. Was er nicht alles wusste! In Stendal steht das zweitschönste Stadttor Deutschlands! Ganz in der Nähe befindet sich der älteste Flugplatz der Welt! (Der auf dem Olle Lilienthal seinerzeit unsanft und endgültig landete.) In der Kirche gegenüber der Pension liegt der Taufstein vom Führer! Ganz in der Nähen haben mal Holländer ein Flußbett 10m in die Höhe verlegt! Der Brite hat Stendal verschont, der Ivan die damals geilste U-Boot-Radaranlage der Welt geklaut und bei sich aufgebaut! Und: Hohenwulsch hat ein Schloss! Das war ne Menge Holz für so tief im Kater. Aber spannendes Holz! Was wir in Hohenwulsch wollten, verstand er allerdings nicht so recht. Wo es doch so viel zu entdecken gab! War uns egal, wir wollten da hin. Und so brachen wir auf.

Von Links: ich, katerblass und skeptisch. Schmollhuber, fröhlich, aber ohne Augen.
Jannemann, saucool den neuen Labello am anzünden.



Fortsetzung folgt.



























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