Gestern Abend erhielt ich einen Anruf
von Kriminalhauptkommissar Simpich vom Polizeipräsidium Köln.
Jetzt, wo ich selbständig bin, kann ich es mir ja immer weniger
erlauben, eingehende Anrufe von mir unbekannten Nummern nicht
entgegenzunehmen. Zum Glück ging's jedoch diesmal nicht um Arbeit,
sondern um Recht und Ordnung.
Ich: Henning...
Herr Simpich: Guten Tag Herr Henning!
Das Polizeipräsidium Köln hier.
Ich: Ach! Hallo!
Herr Simpich: Herr Henning, wir haben
hier noch ihre Jacke.
Ich: Richtig!
Herr Simpich: Richtig. Die wird nun
nicht mehr zum DNA-Abgleich benötigt, da die Täter geständig
waren.
Ich: Ach schön!
Herr Simpich: Sie können ihre Jacke
also hier abholen. Polizeipräsidium Köln-Kalk.
Ich: Köln-Kalk? Und ich dachte, ich
wäre in Deutz gewesen...
Herr Simpich: Nein. Kalk.
Ich: Ja gut, dann komm ich die Tage mal
vorbei.
Herr Simpich: Die Tage? Können sie das
vielleicht etwas genauer sagen?
Ich: Jagut, ich sag' mal: diese Woche
noch.
Herr Simpich: Können wir einen Termin
machen?
Ich: Ömm...ja...klar...na gut...wir
wäre es mit morgen?
Herr Simpich: Donnerstag. Welche
Uhrzeit?
Ich: Ömmm...13 Uhr?
Herr Simpich: Gut. Donnerstag, 13 Uhr.
Sie gehen dann zum Haupteingang und melden sich unten beim Empfang.
Mein Name ist Simpich.
Ich: Okay! Dann bis morgen.
Herr Simpich: Auf Wiederhörn.
Heute Mittag machte ich mich nun auf
den Weg zum Polizeipräsidium in Köln-Kalk. Ich hätte schwören
können, dass das Polizeipräsidium vor 3 Wochen noch in Deutz stand.
Aber gut, ich saß betrunken hinten in einem Polizeiauto, da kann man schon
mal eine Abfahrt übersehen. Ich bewegte mich also zielgerichtet zum
Haupteingang. Dort erspähte ich auch bald den Empfang. An jenem saß ein kleiner,
grauhaariger Mann. Ihm gegenüber, also auf meiner
Seite des Tresens stand ein Mann und sprach offensichtlich in die
Richtung des Grauen, wenngleich der ihn dabei keines Blickes
würdigte. Halblinks von mir stand ein Typ mit Zettelkram in der
Hand und hinter mir nahte bereits der nächste Kunde. Kurz: die Situation war
undurchsichtig. Wer war denn nun als Nächster dran? Und war der
kleine Graue überhaupt bereit, einen von uns zu empfangen? Mit
versteinerter Miene sah er jeden von uns an. Unsicherheit machte sich
breit. Der Typ hallinks von mir wankte unschlüssig, der hinter mir schlich direkt ein paar Schritte zurück zum Ausgang. Ich entschied
mich, einfach regungslos stehen zu bleiben und die Situation
auszusitzen. Plötzlich breitete der Graue seine Arme wie Jesus am
Kreuz und drehte sich auf seinem Stuhl in alle Richtungen. Okay, das
hieß in seiner Sprache wohl: Ja, wer will denn nun was von mir?
Schnurstracks trat ich nach vorn, woraufhin er mich fast verächtlich
ansah. Ich war kurz davor, ihn darauf hinzuweisen, dass für solche
Situationen ja Formulierungen wie „Der Nächste bitte!“ oder
Gesten wie ein kurzen Nicken erfunden wurden. Ich verkniff es mir
aber dann doch, der Graue schien mir schon jetzt nicht sonderlich
humorvoll, geschweige den offen für Zurechtweisungen jeder Art.
Ich: Guten Tag!
Der Graue: …
Ich: Ähm...ich hab hier um 13 Uhr
einen Termin beim Herrn Simpich.
Der Graue: Brbrd.
Ich: Bitte?
Der Graue: Brand.
Ich: Entschuldigung?
Der Graue: Brand.
Ich: Äh...was?
Der Graue: Brand.
Ich: Hm.
Der Graue: KK 11?
Ich: ...ich fürchte, ich kann ihnen
nicht folgen...
Der Graue: KK 11?
Während er die Augen verdrehte und
etwas in seinen Computer tippte, ging mir auf, was er wohl gemeint
hatte. Offensichtlich waren die Abteilungen wohl nach Brand, Raub,
Körperverletzung und wasweißich sortiert. Und KK11 musste das
Kürzel der Abteilung Brand gewesen sein.
Ich: Achso! Brand! Janee, wenn dann
wohl Raub.
Der Graue: Simpich...Raub...KK14...ja...
Ich: Raub, ja.
Der Graue: Sie gehen jetzt hier wieder
raus, dann 150m nach rechts und melden sich dann beim Empfang im Haus
Nummer 6.
Ich: Okay, das mach ich. Danke!
Der Graue: …
Ich: Tschüss!
Der Graue: …
Ich verließ also das Hauptgebäude und
wackelte zu Haus 6. Dort, hinter dem Panzerglas des Empfangs, saß
ein Maulwurf. Sein Teint war irgendwas zwischen steingrau und purpur,
seine Augen kaum zu erkennen und seine Nase erinnerte stark an eine
Erdbeere. Er hatte keinen Hals, so dass sein Kopf direkt in seinen
gedrungenen Körper überging. Ein lichtes Büschel unsortierter,
kurzer Haare zierte seinen Schädel. Ich konnte es nicht genau
erkennen, aber ich meine, er steckte bis zum Bauchnabel in einem
Haufen Muttererde. Ich stellte mich ihm vor und verlangte nach Herrn
Simpich. Nach einem kurzen Telefonat wies der Maulwurf mich an, auf
einem Stuhl Platz zu nehmen, Herr Simpich würde mich dann gleich
besuchen. Keine Ahnung, woher die Laute kamen, sein Mund öffnete
sich dabei jedenfalls nicht. Er muss sich über Infrarot- oder
Schallwellen mit mir verständigt haben, was mich zu dem Schluss
bringt, dass ich offensichtlich Maulwürfisch kann. Ich setzte mich
wie befohlen zur Ruhe, griff mir den Kölner Express und las auf
Seite 1, dass nach einer Umfrage der HÖRZU die größten Vorbilder
der Deutschen Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Joachim
Gauck seien. Noch ein Indiz dafür, dass ich wohl eher ein Maulwurf
bin, als ein Deutscher. Als ich gerade begann, mich innerlich aufzuregen, trat
Herr Simpich durch die Tür. Er sah nett aus und trug einen große
Papiertüte bei sich, in der sich wohl meine Jacke befinden musste.
Herr Simpich: Herr Henning?
Ich: Ja, bin ich. Hallo Herr Simpich.
Herr Simpich: Hallo. So...hier ist ihre
Jacke. Wenn sie vielleicht hier noch unterschreiben...?
Ich: Gern. *kritzel*
Das
war's dann schon?
Herr Simpich: Ja, das war's.
Ich: Okay!...ich hätte da noch eine
recht unbedarfte Frage...die 3 Typen...sollte ich die eigentlich
anzeigen? Macht man das so?
Er sah mich an, als hätte ich gesagt:
„Herr Simpich, ich würde sie jetzt gern küssen!“ Prüfend
blickte er mir in die Augen. Die Sekunden verflogen, kein Laut war zu
hören, die Welt schien den Atem anzuhalten. Nur hinter dem
Panzerglas sah man in Intervallen frisch aufgeworfenen Erdklumpen herumfliegen. Selbst dem Maulwurf war die Situation offensichtlich
unangenehm. Um der Ernsthaftigkeit meiner Frage Ausdruck zu
verleihen, setzte ich einen kritsch-fragenden Blick auf und zog die
Stirn leicht in Falten. Zum Glück kam Herr Simpich nun wieder zu
sich.
Herr Simpich: Janein, das müssen sie
nicht.
Ich: Ach, das ist wohl alles ganz
automatisch.
Herr Simpich: Richtig. Da müssen sie
nichts tun. Raub ist ein Staatsdelikt. Die Täter kommen dafür vor
Gericht und werden verknackt.
Ich: Das ist aber erfreulich!
Herr Simpich: Ja. Also gut, Herr
Henning. Auf Wiedersehn.
Ich: Tschüss!
Herr Simpich verschwand, ich griff' mir meine Tüte und warf noch einen Blick zum Maulwurf, der sich jedoch mittlerweile zu Haus 9 durchgebuddelt haben musste. Sicher Schichtwechsel. Auf seinem Schreibtisch leuchtete zum Abschied ein kleines, entwurzeltes, gelbes Gänseblümchen. Und so nahm dann doch alles noch ein versöhnliches Ende.
Das ist die Papiertüte von Herrn Simpich. KK14, da steht's. Raub, nicht Brand. |
Und richtig, meine Jacke ist jetzt offiziell ein Spurenträger, was mich, so ich sie dann trage, zu einem Spurenträgerträger macht. Verrückt. |
... und wieder muss ich dem Kollegen erklären, warum ich früh am Morgen schon hilflos gackernd vorm Screen sitze... Danke!! *tränenausdenaugenwisch*
AntwortenLöschenLG aus Wien :)
Na, das freut mich doch! Hab mir auch schon die nächsten Wochen voller Amtstermine gelegt, da passieren immer so lustige Sachen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße von Köln nach Wien!
ich habe dinge bei der pollezei in mannheim erlebt, die ich so nicht mal im "großstadtrevier" erwartet hätte. die besten geschichten schreibt ja bekanntlich "das leben". ich für meinen teil frage mich mittlerweile, wie "verbrechen" überhaupt aufgeklärt werden können, also wenn man von diesen csi spielereien mal absieht. ich glaub mittleweile, die haben einen fundus der "üblichen verdächtigen" und handeln frei nach dem motto: irgendeiner von denen wirds schon gewesen sein, soll sich doch die staatsanwaltschaft drum kümmern.
AntwortenLöschenwie ein coen film, bei dem leider dieter bohlen regie führt.
Also in meinem Fall waren's zumindest Newcomer, die hattense noch nich aufm Zettel. Schätze allerdings, wenn die nicht Furkan, Ahmed und Torun sondern Frank, Paul und Fritz gehießen hätten, hätte sie der Arm des Gesetzes nicht derart hart angepackt. Aber das is nur ne Vermutung.
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