Donnerstag, 2. August 2012

Alles im Griff! – Epilog

Gestern Abend erhielt ich einen Anruf von Kriminalhauptkommissar Simpich vom Polizeipräsidium Köln. Jetzt, wo ich selbständig bin, kann ich es mir ja immer weniger erlauben, eingehende Anrufe von mir unbekannten Nummern nicht entgegenzunehmen. Zum Glück ging's jedoch diesmal nicht um Arbeit, sondern um Recht und Ordnung.

Ich: Henning...

Herr Simpich: Guten Tag Herr Henning! Das Polizeipräsidium Köln hier.

Ich: Ach! Hallo!

Herr Simpich: Herr Henning, wir haben hier noch ihre Jacke.

Ich: Richtig!

Herr Simpich: Richtig. Die wird nun nicht mehr zum DNA-Abgleich benötigt, da die Täter geständig waren.

Ich: Ach schön!

Herr Simpich: Sie können ihre Jacke also hier abholen. Polizeipräsidium Köln-Kalk.

Ich: Köln-Kalk? Und ich dachte, ich wäre in Deutz gewesen...

Herr Simpich: Nein. Kalk.

Ich: Ja gut, dann komm ich die Tage mal vorbei.

Herr Simpich: Die Tage? Können sie das vielleicht etwas genauer sagen?

Ich: Jagut, ich sag' mal: diese Woche noch.

Herr Simpich: Können wir einen Termin machen?

Ich: Ömm...ja...klar...na gut...wir wäre es mit morgen?

Herr Simpich: Donnerstag. Welche Uhrzeit?

Ich: Ömmm...13 Uhr?

Herr Simpich: Gut. Donnerstag, 13 Uhr. Sie gehen dann zum Haupteingang und melden sich unten beim Empfang. Mein Name ist Simpich.

Ich: Okay! Dann bis morgen.

Herr Simpich: Auf Wiederhörn.

Heute Mittag machte ich mich nun auf den Weg zum Polizeipräsidium in Köln-Kalk. Ich hätte schwören können, dass das Polizeipräsidium vor 3 Wochen noch in Deutz stand. Aber gut, ich saß betrunken hinten in einem Polizeiauto, da kann man schon mal eine Abfahrt übersehen. Ich bewegte mich also zielgerichtet zum Haupteingang. Dort erspähte ich auch bald den Empfang. An jenem saß ein kleiner, grauhaariger Mann. Ihm gegenüber, also auf meiner Seite des Tresens stand ein Mann und sprach offensichtlich in die Richtung des Grauen, wenngleich der ihn dabei keines Blickes würdigte. Halblinks von mir stand ein Typ mit Zettelkram in der Hand und hinter mir nahte bereits der nächste Kunde. Kurz: die Situation war undurchsichtig. Wer war denn nun als Nächster dran? Und war der kleine Graue überhaupt bereit, einen von uns zu empfangen? Mit versteinerter Miene sah er jeden von uns an. Unsicherheit machte sich breit. Der Typ hallinks von mir wankte unschlüssig, der hinter mir schlich direkt ein paar Schritte zurück zum Ausgang. Ich entschied mich, einfach regungslos stehen zu bleiben und die Situation auszusitzen. Plötzlich breitete der Graue seine Arme wie Jesus am Kreuz und drehte sich auf seinem Stuhl in alle Richtungen. Okay, das hieß in seiner Sprache wohl: Ja, wer will denn nun was von mir? Schnurstracks trat ich nach vorn, woraufhin er mich fast verächtlich ansah. Ich war kurz davor, ihn darauf hinzuweisen, dass für solche Situationen ja Formulierungen wie „Der Nächste bitte!“ oder Gesten wie ein kurzen Nicken erfunden wurden. Ich verkniff es mir aber dann doch, der Graue schien mir schon jetzt nicht sonderlich humorvoll, geschweige den offen für Zurechtweisungen jeder Art.

Ich: Guten Tag!

Der Graue:

Ich: Ähm...ich hab hier um 13 Uhr einen Termin beim Herrn Simpich.

Der Graue: Brbrd.

Ich: Bitte?

Der Graue: Brand.

Ich: Entschuldigung?

Der Graue: Brand.

Ich: Äh...was?

Der Graue: Brand.

Ich: Hm.

Der Graue: KK 11?

Ich: ...ich fürchte, ich kann ihnen nicht folgen...

Der Graue: KK 11?

Während er die Augen verdrehte und etwas in seinen Computer tippte, ging mir auf, was er wohl gemeint hatte. Offensichtlich waren die Abteilungen wohl nach Brand, Raub, Körperverletzung und wasweißich sortiert. Und KK11 musste das Kürzel der Abteilung Brand gewesen sein.

Ich: Achso! Brand! Janee, wenn dann wohl Raub.

Der Graue: Simpich...Raub...KK14...ja...

Ich: Raub, ja.

Der Graue: Sie gehen jetzt hier wieder raus, dann 150m nach rechts und melden sich dann beim Empfang im Haus Nummer 6.

Ich: Okay, das mach ich. Danke!

Der Graue:

Ich: Tschüss!

Der Graue:

Ich verließ also das Hauptgebäude und wackelte zu Haus 6. Dort, hinter dem Panzerglas des Empfangs, saß ein Maulwurf. Sein Teint war irgendwas zwischen steingrau und purpur, seine Augen kaum zu erkennen und seine Nase erinnerte stark an eine Erdbeere. Er hatte keinen Hals, so dass sein Kopf direkt in seinen gedrungenen Körper überging. Ein lichtes Büschel unsortierter, kurzer Haare zierte seinen Schädel. Ich konnte es nicht genau erkennen, aber ich meine, er steckte bis zum Bauchnabel in einem Haufen Muttererde. Ich stellte mich ihm vor und verlangte nach Herrn Simpich. Nach einem kurzen Telefonat wies der Maulwurf mich an, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, Herr Simpich würde mich dann gleich besuchen. Keine Ahnung, woher die Laute kamen, sein Mund öffnete sich dabei jedenfalls nicht. Er muss sich über Infrarot- oder Schallwellen mit mir verständigt haben, was mich zu dem Schluss bringt, dass ich offensichtlich Maulwürfisch kann. Ich setzte mich wie befohlen zur Ruhe, griff mir den Kölner Express und las auf Seite 1, dass nach einer Umfrage der HÖRZU die größten Vorbilder der Deutschen Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Joachim Gauck seien. Noch ein Indiz dafür, dass ich wohl eher ein Maulwurf bin, als ein Deutscher. Als ich gerade begann, mich innerlich aufzuregen, trat Herr Simpich durch die Tür. Er sah nett aus und trug einen große Papiertüte bei sich, in der sich wohl meine Jacke befinden musste.

Herr Simpich: Herr Henning?

Ich: Ja, bin ich. Hallo Herr Simpich.

Herr Simpich: Hallo. So...hier ist ihre Jacke. Wenn sie vielleicht hier noch unterschreiben...?

Ich: Gern. *kritzel* Das war's dann schon?

Herr Simpich: Ja, das war's.

Ich: Okay!...ich hätte da noch eine recht unbedarfte Frage...die 3 Typen...sollte ich die eigentlich anzeigen? Macht man das so?

Er sah mich an, als hätte ich gesagt: „Herr Simpich, ich würde sie jetzt gern küssen!“ Prüfend blickte er mir in die Augen. Die Sekunden verflogen, kein Laut war zu hören, die Welt schien den Atem anzuhalten. Nur hinter dem Panzerglas sah man in Intervallen frisch aufgeworfenen Erdklumpen herumfliegen. Selbst dem Maulwurf war die Situation offensichtlich unangenehm. Um der Ernsthaftigkeit meiner Frage Ausdruck zu verleihen, setzte ich einen kritsch-fragenden Blick auf und zog die Stirn leicht in Falten. Zum Glück kam Herr Simpich nun wieder zu sich.

Herr Simpich: Janein, das müssen sie nicht.

Ich: Ach, das ist wohl alles ganz automatisch.

Herr Simpich: Richtig. Da müssen sie nichts tun. Raub ist ein Staatsdelikt. Die Täter kommen dafür vor Gericht und werden verknackt.

Ich: Das ist aber erfreulich!

Herr Simpich: Ja. Also gut, Herr Henning. Auf Wiedersehn.

Ich: Tschüss!

Herr Simpich verschwand, ich griff' mir meine Tüte und warf noch einen Blick zum Maulwurf, der sich jedoch mittlerweile zu Haus 9 durchgebuddelt haben musste. Sicher Schichtwechsel. Auf seinem Schreibtisch leuchtete zum Abschied ein kleines, entwurzeltes, gelbes Gänseblümchen. Und so nahm dann doch alles noch ein versöhnliches Ende.

Das ist die Papiertüte von Herrn Simpich. KK14, da steht's. Raub, nicht Brand.



Und richtig, meine Jacke ist jetzt offiziell ein Spurenträger, was mich, so ich sie dann trage, zu einem Spurenträgerträger macht. Verrückt.



4 Kommentare:

  1. ... und wieder muss ich dem Kollegen erklären, warum ich früh am Morgen schon hilflos gackernd vorm Screen sitze... Danke!! *tränenausdenaugenwisch*

    LG aus Wien :)

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  2. Na, das freut mich doch! Hab mir auch schon die nächsten Wochen voller Amtstermine gelegt, da passieren immer so lustige Sachen.

    Liebe Grüße von Köln nach Wien!

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  3. ich habe dinge bei der pollezei in mannheim erlebt, die ich so nicht mal im "großstadtrevier" erwartet hätte. die besten geschichten schreibt ja bekanntlich "das leben". ich für meinen teil frage mich mittlerweile, wie "verbrechen" überhaupt aufgeklärt werden können, also wenn man von diesen csi spielereien mal absieht. ich glaub mittleweile, die haben einen fundus der "üblichen verdächtigen" und handeln frei nach dem motto: irgendeiner von denen wirds schon gewesen sein, soll sich doch die staatsanwaltschaft drum kümmern.
    wie ein coen film, bei dem leider dieter bohlen regie führt.

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  4. Also in meinem Fall waren's zumindest Newcomer, die hattense noch nich aufm Zettel. Schätze allerdings, wenn die nicht Furkan, Ahmed und Torun sondern Frank, Paul und Fritz gehießen hätten, hätte sie der Arm des Gesetzes nicht derart hart angepackt. Aber das is nur ne Vermutung.

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