Mittwoch, 30. Januar 2013

Alles im Griff! – Coda

Letzten Mittwoch stand ich vor Gericht. Ich war als Zeuge im Strafverfahren gegen die Buben geladen, die sich im Juli letzten Jahres räuberisch an mir vergingen. Schon in der Einladung wies das hohe Gericht nachdrücklich darauf hin, dass ich auch unbedingt zu erscheinen hatte. Andernfalls würde ich mit einem Strafgeld von bis zu 1.000 € belegt oder gar mehrere Wochen in Dingenshaft genommen. Nun, wenn man mich so freundlich fragt, dann komm ich natürlich! Allerdings lag doch noch ein kleiner Stein auf meinem Weg in den Zeugenstand: mein Ausweis. Bzw. mein nicht vorhandener Ausweis. Der war irgendwann letztes Jahr abgelaufen und überdies nicht mehr auffindbar. Also kümmerte ich mich rechtzeitig um einen Ersatz. Und rechtzeitig heißt in diesem Fall mal wieder: einen Tag vorher. Da dieser Tag offensichtlich nicht einer meiner stärksten war, blickt mich von meinem neuen Personaldokument nun jemand an, den ich gar nicht kenne. Oder der bereits seit Längerem verschieden ist. Ein blasses Frettchen mit Augenringen und schiefen Haaren. Wunderschön! Wie das so ist, wenn man unter Zeitdruck mal schnell Passbilder anfertigen lässt.

Sei's drum. Jedenfalls schlurfte ich Mittwochmorgen termingerecht und mit einem vorläufigen Ausweis bewaffnet zum Landgericht Köln. NATÜRLICH wollte meinen Ausweis dort niemand sehen, den ich voller Stolz ob meiner Zuverlässigkeit wie einen erbeuteten Schatz vor mich her trug. Stattdessen schickte man mich emotionslos durch irgendwelche Sicherheitsschleusen und parkte mich vor Gerichtssaal 10. Vor dem war schon eine Menge los, es wimmelte von Anwälten, anderen Zeugen - und, wie ich bald feststellte, Tätern. Da warnse, die Jungs, die mich hinterrücks überwältigt und mich kurzzeitig um meinen geliebten iPod erleichtert hatten. Sah'n eigentlich ganz nett aus, aber die Schlechtigkeit steht ja auch nicht jedem ins Gesicht geschrieben, nicht wahr. Die Verhandlung begann, ich wartete draußen brav auf meinen Aufruf. Und während ich wartete, schallte immer wieder der verzweifelte Hilferuf einer Beamtin aus den Lautsprechern, dass sich in Zimmer 148 doch bitte mal ein Dolmetscher für die türkische Sprache einfinden möge. Nach 20 Minuten schien er noch immer nicht gefunden, was mich staunen machte. Hätte ich das auch nur geahnt, hätte ich den Besitzer meines Lieblingsbüdchens gebeten, mich zu begleiten, um in türkischer Sprache vermittelnd tätig zu werden. Gut, wenn man die Qualität unsere nahezu täglichen Austausches zu Grunde legt, wäre auch das holprig geworden. So lange sein Deutsch allerdings deutlich besser ist, als mein Türkisch, halte ich ihn für eine exzellente Wahl. (Man muss dazu sagen, dass mein Lieblingsbüdchenbesitzer nicht nur äußerst nett ist, sondern auch große Freude daran hat, an die tatsächlichen Preise immer ein paar Nullen anzuhängen. "Gutten Morgän, mein Freund! Wie geht? Was macht der Frau? Wieder Zeitunk, 2.400 Euro bittä." Hach!, es sind doch immer die kleinen Dinge im Alltag, die das Leben lebenswert machen.) 

Jedenfalls fiel dann mein Name, ich betrat den Saal. Dem Anlass angemessen hatte ich mich in ein schwarzes Kostüm inkl. Hut aus Hasenhaarvelour mit Straußenkiel geworfen. Wenn man schon mal vor Gericht steht, so dachte ich, dann auch bitte als femme fatale. Man bat mich trotzdem zu Tisch und begann mit der Befragung. Kurz, knackig und ständig die Beine verführerisch übereinander schlagend schilderte ich aus meiner Sicht die Geschehnisse des besagten Abends. Der ganze Prozess drohte zu platzen, als ich angab, zum Zeitpunkt der Tat über ein Barvermögen von 1,20€ verfügt zu haben, waren es laut meines Vernehmungsprotokolls doch 1,30€. Mit den Worten "wie auch immer, es hat sich auf keinen Fall gelohnt" gelang es mir jedoch, den Richter zu beschwichtigen. 

Auf der Anklagebank saßen übrigens nur 2 Spitzbuben. Ich reimte es mir so zusammen, dass es ja in der Verhandlung um die Tat des Raubes ging, also darum, wer mir jetzt genau meinen iPod aus der Hosentasche gezogen hatte. Derjenige, der mich überwältigt und im Würgegriff gehalten hatte, saß sicher gemütlich im Keller beim Waterboarding. Die Anwältin eines der Angeklagten fragte mich, ob denn der iPod wohl auch in Folge der Überwältigung von allein aus der Hosentasche gefallen sein könnte. Dies konnte ich allerdings ausschließen, da ich mich zu keinem Zeitpunkt des Aktes über Kopf befand. Neinnein, das iPödchen, das muss man schon mit voller Absicht aus der Tasche zerren, das fliegt nicht einfach so rum. Ich kann mir vorstellen, dass sie gern gehört hätte "Das mag schon sein, der fällt öfter mal raus." Aber das tut er nun mal nicht, Frau Anwältin. Ob ich denn im Vorfeld der Tat Alkohol getrunken hätte, fragte sie spitzfindig. Worauf ich wahrheitsgemäß mit "Zum Glück, sonst hätte ich mir wohl vor Angst in die Hosen gemacht." antwortete. Wie viel ich denn wohl getrunken hätte, frug sie weiter. 4 bis 5 Bier, log ich. 3 bis 4 weitere Bier und 2 Cherry verschwieg ich, um meine Aussage nicht völlig der Lächerlichkeit preiszugeben. "Kölsch?", fragte sie. "Nein! Natürlich Pils!", sagte ich. Blöde Frage, hätte ich beinahe nachgesetzt, als ob sich jemand bis nachts um Eins an 5 klitzekleinen Kölsch festhalten kann.

Ja, und damit war die Befragung auch schon beendet. Man bat mich, den Zeugenstand zu verlassen. Ich erhob mich und schenkte den Angeklagten ein Lächeln. Keine Ahnung, wieso, aber nach Heulen war mir nicht, und ich bin ja auch gut erzogen. Mögen sie auf den Pfad der Tugend zurückfinden Ob ich denn wohl Arbeitsausfall oder Fahrtkosten erstattet haben wolle, fragte mich der Herr Richter noch. Generös verzichtete ich darauf. Fürs Arbeiten war's noch viel zu früh und wegen nem Bahnticket für 1,60€ wollt ich jetzt nicht den Affen machen. Obwohl...andere überfallen für noch weniger andere Menschen. Is ja albern.

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